Sexuelle Gesundheit als wichtiger Bestandteil in der Gesundheitsförderung
Sexuelle Gesundheit ist dank der Weltgesundheitsbehörde WHO seit 2006 ein fester Bestandteil der Definition von Gesundheit als Ganzes. Hiermit hat die WHO einen essenziellen Meilenstein gelegt. Denn damit kann man es als Verpflichtung von Gesundheitsanbieter*innen sehen, dass gelungene Sexualität als integraler Bestandteil in die Gesundheitsförderung und somit Behandlung, Betreuung und Prävention einbezogen werden muss.
Auswirkungen sexueller Zufriedenheit auf die allgemeine Gesundheit
Dieser Fokus auf die sexuelle Gesundheit hat nachweislichen Benefit. Studien haben gezeigt, dass Sex schlichtweg gesund ist, wie folgende Beispiele aufzeigen: Die Ausschüttung von Dopamin, Oxytocin, Endorphinen, endogenem Cortisol oder auch Immunglobulinen haben z.B. schlaffördernde, antidepressive, schmerzstillende oder auch entzündungshemmende Eigenschaften. Bekannt ist auch, dass sich die Lebenserwartung mit Höhe der sexuellen Aktivität, stattgefundenen Ejakulationen und sexueller Zufriedenheit erhöht und dass ein aktives Sexualleben den kognitiven Abbau im Alter verzögert. Umso erfreulicher sind Daten, die zeigen, dass im Laufe der vergangenen Jahrzehnte sowohl die sexuelle Aktivität als auch die Zufriedenheit deutlich angestiegen sind (Abb.).
Sexualität in höherem Alter
Ein höheres Lebensalter steht dabei der Sexualität nicht im Wege. Viele Menschen können bis ins hohe Alter eine zufriedenstellende gelungene Sexualität erleben, sich verlieben und stark erregt sein. Sehr anschaulich zeigt dies die britische Umfrage „NATSAL“, die seit 1990 alle 10 Jahre durchgeführt wird und Daten von mehreren 10.000 Personen beinhaltet. Hier sieht man, dass 57-jährige Paare 2,5-mal so viel Sex haben, als Singles mit 34 Jahren.
Anzuerkennen ist allerdings, dass sich Sexualität mit steigendem Alter verändert. So sind mehr Reize erforderlich und die volle Erregung benötigt mehr Zeit. Es kommt zu weniger Orgasmuskontraktionen und zu einer längeren Refraktärzeit, also einer längeren notwendigen Erholungsphase bis zum nächsten Orgasmus. Zusätzlich verändern sich Prioritäten der Sexualität im Verlauf einer Langzeitbeziehung und des Lebensalters. Die Frequenz des Geschlechtsverkehrs wird vielmehr durch sexuellen Genuss ersetzt. Anschaulich beschreibt diesen Wandel die Formulierung „von männlichen 3-P zu weiblichen 3-S“. Gemeint ist damit, dass sich die Priorität von „Positionen, Penetration, Performance“ zu „Schmusen, Sinnlichkeit, Sexuelle Intimität“ verschiebt.
Ohne Beeinträchtigungen bleiben sexuelle Ausdrucksmöglichkeiten also bis ins hohe Alter erhalten. Im Zusammenhang mit Begleiterkrankungen können sie jedoch durch Sexualfunktionsstörungen gemindert werden. Hier sind vor allem Fettstoffwechselstörungen, Bluthochdruck, Übergewicht und Diabetes zu nennen. Da diese Erkrankungen häufig mit steigendem Alter auftreten, nimmt Sexualität statistisch gesehen mit dem Alter ab.
Unabhängig des Alters ist das Ziel der Sexualmedizin die Erhaltung, die Wiederherstellung oder Verbesserung der sexuellen Funktion und der persönlichen und zwischenmenschlichen Zufriedenheit mit der Sexualität. Denn wie auch die WHO betont: Sexuelle Gesundheit ist untrennbar mit der Gesamtgesundheit und damit Lebensqualität verbunden.
Wichtigkeit, Häufigkeit und Zufriedenheit der Sexualität steigt über die Zeit an
Befragt wurden jeweils 70-jährige Personen in Schweden zu 4 Zeitpunkten im Laufe der Jahre von 1971 bis 2000.
Adaptiert nach Beckmann et al; 2008