Lebensqualität – subjektive und objektive Wahrnehmung
Die Bewertung der Lebensqualität von Menschen wird von vielen Aspekten beeinflusst. Besonders augenscheinlich wird die Diversität dieser Aspekte beim Vergleich der subjektiven Wahrnehmung – also dem gefühlten und erlebten Wohlbefinden sowie der Selbsteinschätzung durch die Patent*innen – mit der objektiven Wahrnehmung, die Parameter wie materiellen Wohlstand, sicheren Wohnraum oder Beteiligung am sozialen Leben durch die betreuenden Personen beinhaltet. Hier zeigen Untersuchungen, dass die
Lebensqualität vonseiten des Gesundheitspersonals oft schlechter eingeschätzt wird, als Patient*innen es tatsächlich erleben. Und dass umgekehrt jedoch die Auswirkung einer medizinischen Intervention bzw. Behandlung auf die Lebensqualität tendenziell überschätzt wird.
Einbeziehung verschiedener Lebensbereiche für die Bewertung der Lebensqualität
Das Einbeziehen von mehr Lebensbereichen in die Bewertung der gesundheitsbezogenen Lebensqualität führt zunehmend zu einem Paradigmenwechsel in der Medizin. Auch wenn keine einheitliche Definition existiert, werden inzwischen meist körperliche, psychologische, soziale, familiäre und arbeitsbezogene Faktoren berücksichtigt. Und der Erfolg einer Behandlung wird nicht mehr ausschließlich an physischen Befunden gemessen, sondern auch an der individuellen Einschätzung der Patient*innen. Unabhängig solcher neueren Bewertungsstandards zeigte eine Studie, dass Menschen mit HIV unter einer niedrigeren gesundheitsbezogenen Lebensqualität leiden als Menschen ohne HIV. Hier standen insbesondere die psychischen Faktoren im Vordergrund, so z. B. Schlafprobleme, soziale Isolation oder ein geringerer Energielevel. In einer anderen Studie bewertete mit 69 % die große Mehrheit der HIV-Patient*innen mit einer nachweisbaren Viruslast ihre Gesundheit als ausreichend oder schlecht. Und nur 47 % der Personen mit einer supprimierten Viruslast schätzten ihren Gesundheitszustand als gut oder sehr gut ein. Zusätzlich gab in dieser Arbeit jede zweite Person mit HIV an, dass sie wenig Sinn in eigenständiger Gesundheitsförderung sehe, da sie bereits krank sei und es daher keinen Vorteil bringen würde.
Umgang mit HIV-Status & Einfluss auf Lebensqualität
Ein nicht zu unterschätzender Aspekt für die Lebensqualität ist auch das Thema der Offenlegung des HIV-Status. Sowohl das Geheimhalten selbst als auch die Angst vor dem Bekanntwerden der Diagnose kann Belastungen erzeugen. Eine Umfrage zeigte: Je größer die Angst vor der Offenlegung des Geheimnisses ist, umso unzufriedener waren die Proband*innen. Tatsächlich haben jedoch nicht alle Geheimhaltungen schädlichen oder belastenden Charakter bzw. gibt es selbstverständlich Themen, die gegenüber pflegenden oder beratenden Mitarbeiter*innen des Gesundheitssystems nicht offengelegt werden wollen oder müssen. Auch hier gilt: Das subjektive Empfinden der Patient*innen ist nicht immer übereinstimmend mit der objektiven Einschätzung der betreuenden Personen, hat aber den wesentlichen Anteil für die letztlich erlebte Lebensqualität.
Befragung:
Zeitraum:
Oktober 2022 – März 2023
Anzahl der Teilnehmer*innen:
27 HIV-infizierte Personen
Geschlecht:
- 7 Frauen
- 17 Männer
- 1 divers
- 1 keine Angabe
Alter:
31 – 75 Jahre
HIV-Diagnose erhalten:
- am längsten: 1986
- am kürzesten: 2021
Peinhaupt/Wolf-Nussmüller KPE 2023
Eine Blitzumfrage zeigt auf, wie unterschiedlich sich die HIV-Diagnose auf die Lebensqualität von Menschen auswirken kann.
Adopted from: Peinhaupt et al.; 2023